„Jeder braucht einen eigenen Trost“
30.10.2018 | „Trauerthek“ im Wimpinahaus eröffnet Nach Obrigheim besitzt Buchen die zweite Einrichtung dieser Art in der gesamten Erzdiözese Freiburg. Schüler der achten und zehnten Klassen der Abt-Bessel-Realschule gestalteten die Veranstaltung gesanglich.
Einen Trauerfall verarbeitet jeder Mensch unterschiedlich. Manchen hilft Trost, andere brauchen viel Zeit. Um sich mit dem Thema zu befassen, gibt es seit Freitag in Buchen eine „Trauerthek“.
Eine sogenannte „Trauerthek“ mit 100 Medien rund ums Thema „Trauer“ ist ab sofort in der religionspädagogischen Medienstelle im Wimpinahaus in Buchen verfügbar. Die öffentlich zugängliche Fachbibliothek wurde am Freitagabend offiziell ihrer Bestimmung übergeben. Die beiden einzigen „Trauertheken“ in der Erzdiözese Freiburg insgesamt befinden sich im Dekanat Mosbach-Buchen: Am Donnerstag wurde in Obrigheim eine solche Einrichtung eröffnet, am Freitag in Buchen. Beide gelten als Pilotprojekte. Sollten sie sich bewähren, könnten weitere im Erzbistum Freiburg folgen.
Ulrich Neubert, Leiter des katholischen Bildungszentrums Mosbach, wies in seiner Ansprache darauf hin, dass im Dekanat Mosbach-Buchen seit dem Jahr 2015 ein sogenannter „Trauertisch“ existiert. Dabei handelt es sich um ein Netzwerk kirchlicher und nicht-kirchlicher Institutionen, die sich mit dem Thema „Trauer“ beschäftigten. Denn 40 Prozent der Hinterbliebenen benötigten eine individuelle Trauerbegleitung, sagte Neubert. Männer trauerten anders als Frauen, Kinder oder Jugendlichen, die Hinterbliebenen von Unfallopfern anders als die, die einen Ehepartner oder ein Kind durch eine natürliche Todesursache verloren haben.
Die Mitglieder des „Trauertischs“ widmeten sich vier Aufgaben: der Trauerbegleitung, dem fachlichen Austausch, der Öffentlichkeitsarbeit und der pastoralen Arbeit. „Die Trauer gehört zum Leben“, stellte Neubert fest. Die „Trauerthek“ könne Trauernden und Fachleuten helfen mit ihren Materialien und Medien. Matthias Berg, Leiter des Referats „Erwachsenenbildung“ und Direktor des Bildungswerks der Erzdiözese Freiburg, trieb die Neugier von Freiburg nach Buchen. Er wollte sich selbst ein Bild von der neuen „Trauerthek“ machen. „Sterben geht uns alle an“, sagte er. „Trauer wird im öffentlichen Bereich zurückgedrängt“. Die Werbeindustrie zeige nur glückliche und lachende Menschen.
Viele Kliniken hätten aus wirtschaftlichen Gründen Trauerräume zum Abschied nehmen von Verstorbenen abgeschafft. „Auch die Kirche tut sich schwer, Trauernden adäquate Zuwendung zur Verfügung zu stellen“, kritisierte er, wenngleich er dies wegen der angespannten Personalsituation in der Seelsorge nachvollziehen könne.
Zum Glück seien sehr viele Ehrenamtliche in die Trauerarbeit eingebunden. „Ich freue mich, dass es gelungen ist, die ,Trauerthek’ zu eröffnen“, sagte Berg. „Trauer kann einem den Boden unter den Füßen wegziehen“, sagte Martin Hahn, der als stellvertretender Bürgermeister für die Stadt Buchen zur Eröffnung der „Trauerthek“ gratulierte. In einer solchen Situation seien vor allem Familienangehörige und Freunde wichtig. Er freute sich darüber, dass die „Trauerthek“ offen sei für Trauernde verschiedener Kulturen und jedes Alters.
Dekan Johannes Balbach erzählte vom Tod seiner geliebten Mutter und seinen Gefühlen als junger Student. Damals habe er Menschen geschätzt, die einfach nur zuhörten. Die Zeit des intensiven Trauerns komme erst nach der Bestattung. „Meine Geschwister haben mir in jener Zeit geholfen und mich getragen“, erinnerte er sich. Sie spendeten ihm Trost und Ermutigung. Die „Trauerthek“ sieht Balbach deshalb auch als „Trost-Bibliothek“. Er wies darauf hin, dass die Kirchengemeinde Hinterbliebene anschreibe und ihnen Hilfe und Begegnung anbiete. Der Dekan lobte den Einsatz der Ehrenamtlichen und versprach, beiden „Trauertheken“ Duplikate eines Kreuzes zu schenken, das er zum Tod seiner Mutter erhalten hatte. „Die ,Trauerthek’ ist mir ein Herzensanliegen“, sagte er.
Dekanatsratsvorsitzende Elisabeth Hell hat kürzlich den zweijährigen Kurs zur Trauerbegleiterin abgeschlossen. Sie bezeichnete die Eröffnung von zwei „Trauertheken“ im Dekanat als „Sensation“. „Jede Trauer ist anders. Jeder Mensch braucht einen eigenen Trost“, stellte sie fest. „Es gibt keine Anleitung zum Trösten.“ Als Trauerbegleiter müsse man achtsam sein, Mitgefühl zeigen, Zeit haben, mit dem Herzen sehen und hören und über eine stabile Persönlichkeit verfügen. „Nutzen Sie das Angebot der Trauerbibliothek“, appellierte Hell an die Anwesenden.
Alle Redner dankten allen ehrenamtlichen Helfern, die zur Gründung der „Trauerthek“ beigetragen haben, besonders Ulrike Herberich, die diese leitet. Außerdem stellten Margit Halder, Irene Gimber und Ulrich Neubert Bücher aus der neuen Einrichtung vor. Schüler der achten und zehnten Klassen der Abt-Bessel-Realschule gestalteten die Veranstaltung gesanglich.
Text und Bild: (c) Martin Bernhard